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Rede zum Tag der Deutschen Einheit
am 3. Oktober 2007 in Schwerin

�Diese deutsch-deutsche Harmonie ist doch eine Fiktion�. Tatsache ist, dass die Deutschen einander nicht ausstehen k�nnen, Ossies und Wessies � das ist wie Hund und Katze!�
Dieses selbst im �blichen Lamento bemerkenswerte Urteil �ber die deutsch-deutsche Befindlichkeit stammt von einem unbestritten klugen Beobachter � und wurde vor zwanzig Jahren gef�llt. Es war Hans Magnus Enzensberger, der den Deutschen diese Diagnose bereits 1987 stellte, also zwei Jahre vor den Ereignissen in der DDR, die erst 1990 zur deutschen Einheit f�hren sollten.
Im Epilog zu seiner Aufsatzsammlung �Ach Europa� entwarf Enzensberger � 1987! � ein fiktives Gespr�ch zwischen einem amerikanischen Reporter und einem britischen Korrespondenten �ber das wiedervereinigte Deutschland.
Staunend liest man dort folgenden Dialog: �Ich dachte, sie h�tten sich zusammengerauft� � �Offiziell schon. Aber wenn Du ihre Deklarationen beim Wort nimmst, ger�tst Du sofort in ein Unterholz von Komplexen, Rivalit�ten und Ressentiments�. Wenn ich meine jungen Freunde hier �ber die jeweils andere Seite reden h�re� Mit einem Wort: jeder von beiden f�hlt sich �ber den andern weit erhaben� � �Und die ber�hmte Wiedervereinigung?� � �Au�er Kaffee und Kuchen nichts gewesen�.

Au�er Kaffee und Kuchen nichts gewesen? Eben doch! Mit der Revolution der Ostdeutschen 1989 und mit dem 3. Oktober 1990 ist Wesentliches erreicht worden: Einigkeit und Recht und Freiheit. Aus diesem Bekenntnis unserer Nationalhymne, in einem Land, das mehr als vierzig Jahre lang geteilt war, wo Freiheit, Demokratie und Menschenrechte Millionen Menschen �ber Jahrzehnte verweigert worden waren, sind Gestaltungsprinzipien eines wiedervereinigten Staates geworden � einer tats�chlich �Deutschen Demokratischen Republik�.
Jenseits der handfesten Interessen und Erwartungen, die zu Recht viele Deutsche mit der Wiedervereinigung verbunden haben, sind dies die eigentlichen, die nachhaltigen Errungenschaften des 3. Oktober 1990.
Einigkeit. Und Recht. Und Freiheit.

Die Einheit � eine Erfolgsgeschichte

In der einseitigen Fixierung auf das Materielle, die wirtschaftlichen Unterschiede damals und heute, geraten zu oft diese einigenden Motive von 1989/90 aus den Augen. Sie wiederzuentdecken, hei�t aber nicht, die �konomie geringzusch�tzen. Im Gegenteil: Auch auf diesem Feld haben wir allen Grund, die gro�e Aufbauleistung der B�rgerinnen und B�rger der vergangenen anderthalb Jahrzehnte in beiden Teilen Deutschlands zu w�rdigen. Nirgendwo sonst und nie zuvor hat ein Teil eines Landes einem anderen Teil in vergleichbarem Ma�e geholfen. Und jede Investition ist eine Investition in die gemeinsame Zukunft. Wenn ich empfehle, lieber �fter einmal die Mut machenden Erfolgsgeschichten zu erz�hlen, statt die unbestreitbaren Lasten zu beklagen, dann ist das nicht der �Tagesbefehl zum Gl�cklichsein�, wie gerne eingewandt wird; es ist vielmehr der Hinweis auf die Wirklichkeit.

Die echten und die vermeintlichen Fehler im Einigungsprozess sind oft genug vorgetragen worden, die Erfolge, um die uns im �brigen unsere Nachbarn beneiden, werden dagegen eher selten wahrgenommen.

Die deutsche Einheit als Erfolgsgeschichte zu sehen, hei�t keineswegs blind f�r die noch immer zu bew�ltigenden Probleme zu sein. Dabei sollten wir uns aber wieder st�rker bewusst machen, dass wir hier �ber die Hinterlassenschaften der Teilung und weniger �ber die Folgen der deutschen Einheit reden. �Ruinen schaffen ohne Waffen�, spottete der Volksmund in der DDR �ber den deprimierenden Zustand vieler St�dte in Zeiten der Teilung. Die aufw�ndige Wiederherstellung wertvoller alter Bausubstanz und die Wiedergeburt ganzer historischer Stadtquartiere ist ein grandioser Gewinn der Einheit. Auf dem ehemals v�llig verseuchten Uranabbaugebiet Wismut in Th�ringen findet in diesem Jahr die Bundesgartenschau statt. Zugegeben: Nicht �berall bl�hen die Landschaften so eindrucksvoll, aber manche Ver�nderungen sind zweifellos spektakul�r.

Der erzielte Fortschritt wird erst deutlich, wenn man die Entwicklung in den neuen Bundesl�ndern vergleicht mit der Entwicklung, die osteurop�ische Nachbarl�nder bei vergleichbarer politischer und wirtschaftlicher Ausgangslage im gleichen Zeitraum gemacht haben. Dort tr�bt aber der westliche Lebensstandard als innerstaatlicher Ma�stab nicht den Blick f�r das bereits Geschaffene. Unsere Probleme m�chten andere gerne haben � und die deutlich h�here Wirtschaftskraft der neuen Bundesl�nder, ihre inzwischen beispielhafte Infrastruktur, die Kaufkraft und das Niveau der Sozialleistungen auch.
Der Aufbau Ost hat sich in den vergangenen Jahren in vielen Regionen sp�rbar beschleunigt. Einige St�dte und Kreise in den neuen Bundesl�ndern konnten ihre Wettbewerbsf�higkeit deutlich steigern. Acht der zehn St�dte und Kreise, die ihre Position in Deutschland am st�rksten verbesserten, geh�ren zu den jungen Bundesl�ndern. Mecklenburg-Vorpommern, das diesmal die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit ausrichtet, darf stolz darauf sein, dass Greifswald zum Aufsteiger des Jahres gek�rt wurde.

Noch gr��er als die Fortschritte sind aber die Erwartungen � auch die politisch bef�rderten Erwartungen. Sie kommen nicht zuletzt in der unabl�ssig und gerade zu Feiertagsanl�ssen gern bem�hten Frage nach der �Vollendung der inneren Einheit� zum Ausdruck. Zu Recht wird darauf die Gegenfrage gestellt, was das denn sein soll: die vollendete Einheit? Ost und West, alles einheitlich, ein Herz und eine Seele? Diese Vorstellung ist genauso unhistorisch wie naiv. Nichts ist so gut, als dass es nicht noch verbesserungsf�hig w�re. Aber Einheit hei�t eben nicht Einheitlichkeit. Aus gutem Grund wurde 1994 mit der Neufassung von Artikel 72 Absatz 2 GG die Formulierung �Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverh�ltnisse� durch �Herstellung gleichwertiger Lebensverh�ltnisse� ersetzt. Damit wurde nicht nur gegen�ber blo�em Erhalt und Sicherung in der Gegenwart ein in die Zukunft weisender dynamischer Prozess reklamiert. Es wurde auch zu Recht die Erwartung von der Einheitlichkeit der Lebensverh�ltnisse relativiert. Einheitlichkeit gibt es nicht, weder im Osten noch im Westen � und nat�rlich auch nicht zwischen ihnen. Und ernsthaft betrachtet, wollen wir sie auch nicht.

Viele von Ihnen kennen das Bonmot, man habe im Osten getr�umt, ins Paradies zu kommen, und sei in Nordrhein-Westfalen aufgewacht. Als Bochumer habe ich diesen Gegensatz nie so recht verstanden. Im �brigen gilt f�r mich der weise Satz, dass sich das Paradies in der Regel erst dann als Paradies zu erkennen gibt, wenn wir daraus vertrieben wurden. Abseits der Hoffnung auf paradiesische Zust�nde ist aber l�ngst eine differenzierte Betrachtung im Vergleich westdeutscher und ostdeutscher Bundesl�nder angebracht. Die Ausdifferenzierung strukturschwacher Regionen und Wachstumszentren ist jedenfalls l�ngst kein allein ostdeutsches Ph�nomen mehr, und ist es wohl auch nie gewesen. Ostdeutschland ist nicht mehr der einheitliche Wirtschaftsraum, als der er lange betrachtet und behandelt wurde. Ebenso wenig �brigens wie Nord- oder S�ddeutschland als geographische Zuordnung unterschiedlicher Bundesl�nder. Viele Kreise in Ost- und Westdeutschland haben heute vergleichbare Interessen und �hnliche Probleme. Aber sie haben eine andere Geschichte.
Nach einer aktuellen Umfrage haben 64 Prozent der Menschen in den neuen Bundesl�ndern eher positive und nur 17 Prozent eher negative Erinnerungen an die DDR. Ich finde das einleuchtend. Schlie�lich geht es dabei auch um die eigene Biographie. Zugleich sagen aber 71 Prozent der Ostdeutschen ebenso klar, dass sie Verh�ltnisse wie in der DDR auf keinen Fall zur�ckhaben wollen. Auch dieser Befund zeigt: Das Urteilsverm�gen der Leute ist nicht weniger ausgepr�gt als ihr Erinnerungsverm�gen.


Recht und Freiheit

Die Ostdeutschen wissen nur zu genau, was sie sich 1989 erk�mpft haben: Dem Ruf nach Einheit � �Wir sind ein Volk� � ging der selbstbewusste Satz �Wir sind das Volk� voraus, zusammen war dies der Ruf nach Recht und Freiheit f�r alle Deutschen. Unsere tagespolitischen Auseinandersetzungen um die L�sung noch ausstehender �konomischer und sozialer Aufgaben sollten den Blick auf diese Antriebskr�fte von 1989/90 nicht verstellen.
Die rechtsstaatliche Ordnung der westdeutschen Demokratie �bte eine solche Faszination aus, dass Tausende in den Jahren der Trennung ihr Leben aufs Spiel setzten, um die diktatorischen Grenzen zu �berwinden und Freiheit zu erreichen. Weil Tausende seit der Teilung wegliefen � insgesamt mehr als 2,5 Millionen Menschen � wurde 1961 die Mauer gebaut, und weil 1989 Tausende wegliefen, musste die Mauer auch wieder ge�ffnet werden. Wohin sind sie nach der Mauer�ffnung aber gelaufen? In den Westen oder nach Deutschland? Diese gescheite Frage hat der Journalist Peter Bender, der sich seit vielen Jahren mit diesem Thema besch�ftigt, erst k�rzlich wieder gestellt: �W�ren sie auch gelaufen�, fragt er, �wenn hinter der Westgrenze der DDR Frankreich gelegen h�tte? Sehr wahrscheinlich nur wenige. W�ren sie gelaufen, wenn die Bundesrepublik �rmer gewesen w�re als die DDR und ebenso unfrei? Sehr wahrscheinlich nicht.� Sie liefen und �bersiedelten in immer gr��erer Zahl und entschieden sich sp�ter mehrheitlich f�r eine Vereinigung mit der Bundesrepublik, �weil sich der Westen in deutscher Gestalt darbot und Deutschland in westlicher Form.� Mit anderen Worten: Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft h�tte, dass Einigkeit und Recht und Freiheit mehr bedeutet haben als ein unverbindliches Lippenbekenntnis, so haben die Deutschen zwischen Oder und Elbe diese Zweifel ausger�umt.

Das, was die Ostdeutschen 1989 als Voraussetzung f�r die deutsche Einheit mit gro�em Mut und der Bereitschaft zum pers�nlichen Opfer vollbrachten, war eine politische Revolution f�r das Recht und f�r die Freiheit. Dies gilt es gegen�ber der allzu einfachen, beinahe niedlichen Version von der �Wende� zu betonen. W�hrend eine kluge Au�enpolitik die deutsche Einheit in Frieden mit allen unseren Nachbarn herbeif�hrte, stellen uns die nachhaltigen Folgen einer vierzigj�hrigen Teilungszeit innenpolitisch noch immer vor gro�e Herausforderungen. Manches ist im Einigungsprozess vielleicht zu fr�h geschehen, anderes passierte aus der Sicht von Betroffenen und kritischen Beobachtern zu sp�t � ein nicht wirklich �berraschendes, eher wohl unvermeidliches Ph�nomen.
In der strafrechtlichen Aufarbeitung von DDR-Verbrechen hat der deutsche Rechtsstaat mit der f�r Opfer manchmal schwer ertr�glichen, aber konsequenten Anwendung rechtsstaatlicher Prinzipien seine Haltung und seine St�rke bewiesen. Zu den Erfahrungswerten geh�rt aber auch: Recht und Gerechtigkeit stehen in einem durchaus spannungsreichen Verh�ltnis. Die anhaltenden und unbedingt notwendigen Debatten um die angemessene gesellschaftliche Aufarbeitung der DDR-Verbrechen zeigen den best�ndigen Konflikt, dem unser Gerechtigkeitsgef�hl gelegentlich ausgesetzt ist. Auch angesichts der unl�ngst in Kraft getretenen Opferrenten sollten wir uns selbstkritische Fragen stellen: Haben wir uns im wiedervereinigten Deutschland nicht zu lange mit den T�tern und zu wenig mit den Opfern besch�ftigt? Ist der Eindruck g�nzlich unberechtigt, das �Neue Deutschland�, die demokratische Republik habe gegen�ber den Opfern des Unrechts weniger Gro�z�gigkeit aufgebracht als gegen�ber den T�tern?

Unbestritten aber ist: Die Revolution von 1989 brachte mit dem �berwinden der DDR-Diktatur einen einzigartigen Fortschritt: das Menschenrecht auf Freiheit. Diese Bilanz entzieht sich jeder Frage nach der H�he oder Aufrechenbarkeit der Kosten. Deshalb kann und sollte die Erinnerung an die Motive wie die Erfolge der Revolution von 1989 das Bewusstsein f�r den Wert der Freiheit st�rken. Freiheit, vor allem und zuerst verstanden als die ganz pers�nliche Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, die Chance, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, es nach eigenen Vorstellungen und auf eigene Verantwortung hin zu gestalten. Gerade sie bekommt jedoch hierzulande nicht immer die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Die sozialwissenschaftliche Forschung der letzten 15 Jahre hat sich jedenfalls damit nur wenig besch�ftigt. Hingegen wurde zum Thema Gleichheit ein Vielfaches an Ver�ffentlichungen publiziert.
Die Forschungen zur deutschen Teilung und zum Einigungsprozess sind inzwischen kaum noch �bersehbar, die publizierten Arbeiten gehen in die Tausende. Eine private Literaturdatenbank zur deutschen Wiedervereinigung wartet im Internet mit mehr als 52.000 Eintr�gen zur Online-Recherche �ber die deutsche Wiedervereinigung auf. Diese Aufarbeitung ist unbestreitbar wichtig, sie ersetzt allerdings weder die Aufkl�rung noch die Vermittlung der wesentlichen historischen Daten und Zusammenh�nge. Wenn nach einer aktuellen Studie der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands heute f�nf Prozent der deutschen Gymnasiasten Walter Ulbricht f�r einen oppositionellen Liedermacher der DDR halten und mehr als sieben Prozent in Erich Honecker den zweiten Bundeskanzler der Bundesrepublik sehen, dann ist das bei weitem nicht so komisch wie es sich anh�rt.

Man muss auch nicht die Bibliotheken konsultieren, um eine doch recht einseitig erscheinende Gewichtung im bisherigen Forschungsinteresse, vor allem aber eine unangemessene Fixierung auf das scheinbar unbekannte Wesen im Osten zu erkennen. Es reicht dazu ein einfacher Klick im Internet. Dort finden wir nicht weniger als 4,2 Millionen Eintr�ge, die sich mit dem besch�ftigen, was leider noch immer gemeinhin als �der� �Ossi� bezeichnet wird, aber kaum �ber 200.000 Eintr�ge zu seinem Landsmann im Westen. Offensichtlich haben viele Beobachter bis heute nicht wahrgenommen, dass nicht nur der Westen den Osten ver�ndert hat. Die zw�lfj�hrige Schulausbildung bis zum Abitur zum Beispiel, die in westlichen Bundesl�ndern als Voraussetzung f�r den Hochschulzugang zun�chst gar nicht anerkannt werden sollte, ist inzwischen gesamtdeutscher Standard.

In der Einigkeit �ber die Leitprinzipien Recht und Freiheit, im Konsens �ber den freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat, liegt der eigentliche Kern der viel beschworenen �inneren Einheit� Deutschlands. �Vollendet� muss und kann sie nicht sein. Aber sie ist Wirklichkeit geworden. Dies allein ist mehr, als ganze Generationen gehofft oder geglaubt haben. Es geh�rt zu den merkw�rdigen Begabungen der Deutschen, dass sie Ereignisse und Entwicklungen, die sie jahrzehntelang f�r nahezu ausgeschlossen gehalten haben, von dem Augenblick an, in dem sie gleichwohl Realit�t geworden sind, f�r eine schiere Selbstverst�ndlichkeit halten.

Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat, Bundesstaat

Einheit muss wachsen. Sich vereinen, hei�t teilen lernen. Dieses nur scheinbare Paradoxon, mit dem Richard von Weizs�cker am 3. Oktober 1990 den Weg zur inneren Einheit beschrieb, hat nichts von seiner Bedeutung und Richtigkeit verloren. Und die Deutschen zeigen seit Jahren eine sicher nicht immer als schmerzfrei empfundene, im Prinzip aber doch ungebrochene, auch finanzielle Solidarit�t. Die Teilung �berwinden, hei�t teilen lernen: dieser anhaltende Lernprozess wird aber auch ganz wesentlich � und heute mehr denn je � als Anliegen verstanden, die Erinnerungen miteinander zu teilen. Strukturen, so gut sie wissenschaftlich aufgearbeitet sind, erkl�ren nicht alles. Gelebtes Leben geht weder in Anekdoten auf noch in wie gut auch immer recherchierten Reportagen, es will erz�hlt werden, wenn es verstanden werden soll. Die Politik verf�gt dabei nur �ber begrenzte Mittel, sie kann aber und sie sollte dazu Anst��e geben. Ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin w�re ein wichtiger Beitrag, der l�ngst �berf�llig ist. Wir haben aus gutem Grund insbesondere in der Hauptstadt zahlreiche auff�llige St�tten der Erinnerung an die Verbrechen zweier Diktaturen in Deutschland, es gibt keinen vern�nftigen Grund, nicht auch in �hnlich demonstrativer Weise der Freiheits- und Einheitsgeschichte der Deutschen zu gedenken. Sie ist f�r das Selbstverst�ndnis und das Selbstbewu�tsein unseres Landes gewi� nicht weniger wichtig. Und sp�testens zum 25. Jahrestag des Falls der Mauer und der Wiedervereinigung k�nnte und sollte ein solches Denkmal stehen. Es w�re vor allem zugleich eine notwendige Ermunterung zu einer breiten �ffentlichen Debatte �ber den Wert von Einigkeit und Recht und Freiheit heute � und nicht zuletzt Ausdruck eines �ber wirtschaftliche Konjunkturen und auch �ber Moden hinweg tragenden aufgekl�rten Patriotismus, wie er uns in seiner ansteckend fr�hlichen Form w�hrend der Fu�ball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr begegnete, gen�hrt von der stolzen Erinnerung an eine gelungene friedliche Revolution und getragen vom Grundakkord unserer Verfassung: Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat, Bundesstaat. Und Kulturstaat, selbstverst�ndlich.

Meine Damen und Herren, es gibt zu unserem Nationalfeiertag eine aufschlussreiche Geschichte, die von einer franz�sischen Journalistin zum zehnten Jahrestag der deutschen Einheit berichtet wurde. Was sie selbst damals geradezu fassungslos registrierte, wird uns heute, Jahre sp�ter, leider noch immer nicht g�nzlich �berraschen. Die Franz�sin hatte sich tags zuvor von einem deutschen Ladenverk�ufer nicht mit einem einfachen �Auf Wiedersehen� verabschiedet sondern gesagt: �Ich w�nsche Ihnen morgen einen sch�nen Nationalfeiertag� � und danach das Gef�hl gewonnen, sie h�tte etwas Unanst�ndiges, jedenfalls Unpassendes gesagt. Der 3. Oktober ist aber ein Tag der Freude und ein Anlass zum Feiern � mithin also auch ein Grund f�r Kaffee und Kuchen.

Am 3. Oktober 1990 wurde die deutsche Einheit in Freiheit vollendet. Es war mehr als der formale Akt des Beitritts neuer Bundesl�nder aus der damaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Es war der erfolgreiche Abschluss einer beispiellosen Entwicklung, eine gewaltfreie Revolution, die dennoch oder gerade deshalb die Verh�ltnisse nicht nur im eigenen Land grundlegend ver�nderte � ein historischer Einschnitt, f�r Deutschland und f�r das freie Europa. Daran sollten wir uns gerade in diesem Jahr erinnern, in dem der ersten Manifestationen des Freiheits- und Einheitswillens der Deutschen gedacht wird: 1817 auf der Wartburg, 1832, vor 175 Jahren, auf dem Hambacher Schloss. Kein Jahrzehnt sp�ter gab Hoffmann von Fallersleben mit der dritten Strophe seines Lieds der Deutschen die Losung aus, die f�r Generationen blo�e Wunschvorstellung blieb: Einigkeit und Recht und Freiheit. Sie wurde zum Bekenntnis f�r ein demokratisches Deutschland, das es damals noch nicht gab, und sie ist zum Gestaltungsprinzip eines vereinten, freien und demokratischen Landes geworden, im Frieden mit allen seinen Nachbarn, mit ihnen verbunden in einer Gemeinschaft europ�ischer Staaten.

Gr��eres Gl�ck hatten die Deutschen in ihrer Geschichte nie. Aus diesem Gl�ck kann Einheit wachsen.


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